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Gericht muss auch Parteigutachten würdigen

Vielen Rechtsstreitigkeiten liegen unterschiedliche Auffassungen über technische Fragen/Gegebenheiten zugrunde (Z. B.: Ist ein technischer Mangel gegeben? Was sind die technischen Ursachen eines bestimmten Schadensbildes?). Insofern kommt es häufig zu dem Fall, dass vom Gericht zur Beantwortung erheblicher Beweisfragen beauftragte Sachverständige letztendlich mit den Ergebnissen ihrer Gutachten den Rechtsstreit in der Sache entscheiden, da das Gericht dann letztendlich nur noch die zwingende rechtliche Konsequenz aus den tatsächlichen Ergebnis zieht und entsprechend urteilt.

Umso mehr – das gilt vor allen Dingen im Bauprozess – müssen die Parteien bzw. deren Rechtsanwälte die Tätigkeit der gerichtlichen Gutachter aufmerksam verfolgen und gegebenenfalls rechtzeitig Einwendungen gegen die erstatteten Gutachten vorbringen oder zielführende Ergänzungsfragen stellen. Auch kann es angezeigt sein, den Sachverständigen zur mündlichen Erörterung seines Gutachtens vor Gericht laden zu lassen.

Jeder Partei steht es frei, im Rahmen des Prozesses auch Privatgutachten vorzulegen. Diese Privatgutachten stellen besonders substantiierten Parteivortrag dar und sind damit durch das zur Entscheidung berufene Gericht auch entsprechende zu werten. Es erstaunt, dass in der Praxis oftmals eine hinreichende Auseinandersetzung mit den Ausführungen der Parteigutachten nicht stattfindet, da wohl angenommen wird, das gerichtlich eingeholte Gutachten „steche“ quasi sowieso das Parteigutachten. Dabei ist richtig, dass letztendlich der gerichtliche Gutachter deswegen eingeschaltet wird, um dem Gericht Klarheit in technischer Hinsicht zu verschaffen und die qualifizierte Entscheidungsfindung des Gerichts möglich zu machen. Wenn es aber zu Widersprüchen oder offenen Fragen im Zusammenhang mit den Ausführungen in einem Parteigutachten kommt, dann muss das Gericht dem nachgehen und gegebenenfalls den gerichtlichen Sachverständigen anhalten, sein Gutachten entsprechend zu ergänzen, sich jedenfalls mit dem Positionen des Parteigutachtens auseinanderzusetzen. Wenigstens muss das Gericht selbst sich nachweislich mit dem Parteigutachten auseinandergesetzt haben; es müssen sich also entsprechende Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils finden lassen.

Der BGH hat dies mit Beschluss vom 28.03.2023 – VI ZR 29/21 – kürzlich bekräftigt. Hieraus Rn. 8:

„Zwar muss sich das Gericht nicht mit jedem von einer Partei vorgebrachten Gesichtspunkt auseinandersetzen. Es hat jedoch namentlich den auf eine privatgutachterliche Stellungnahme gestützten Parteivortrag hinreichend in seine Überzeugungsbildung einzubeziehen. Die Entscheidungsgründe müssen erkennen lassen, dass eine Auseinandersetzung mit den sich aus dem Privatgutachten ergebenden Einwendungen stattgefunden hat (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Januar 2015 – VI ZR 204/14, NJW 2015, 1311 Rn. 6; BGH, Beschluss vom 14. Mai 2019 – VIII ZR 126/18, NJW-RR 2019, 841 Rn. 13).“

Die Entscheidung des BGH ist einerseits zu begrüßen; andererseits erstaunt es aber, dass der BGH immer noch solche Entscheidungen treffen und die Instanzgerichte an die erschöpfende Auswertung des Parteivortrages und der zur Verfügung stehenden Beweismittel und damit letztlich auch an die Gewährung des grundrechtlich geschützten rechtlichen Gehörs der Parteien erinnern muss.

Eugen Kalthoff
Rechtsanwalt | Partner
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Lehrbeauftragter der Universität Hamburg

Sekretariat: Frau Hofbauer & Frau Herberger
Durchwahl: 0751 36331-19/-26

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