Mit Urteil vom 12.04.2024 – 26 U 2/23 hat das OLG Hamm einen interessanten Fall entschieden. In der Sache ging es um Schmerzensgeld sowie Schadensersatzansprüche anlässlich einer ärztlichen Behandlung. Allerdings lassen sich die allgemeinen Grundsätze auch auf andere Sachverhalte wie z.B. das Immobilienrecht anwenden:
In dem Prozess hatten die Parteien nach Stellungnahme eines gerichtlichen Sachverständigen einen Vergleich geschlossen. Der Kläger hielt im Nachhinein die Angaben des gerichtlichen Sachverständigen für falsch, focht den Vergleich an und machte dessen Unwirksamkeit geltend, verlangte also Fortsetzung des ursprünglichen Prozesses und eine höhere Summe.
Ohne Erfolg! Das Gericht führte aus, dass ein Vergleich dann unwirksam sei, wenn der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspreche und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Es handele sich um einen Fall beiderseitigen Irrtums über einen Umstand, der außerhalb des Streits lag. Die Richtigkeit der Angaben des gerichtlichen Sachverständigen wertete das Gericht nicht als von den Parteien als feststehend zugrunde gelegten Sachverhalt. Denn die Parteien hatten ja von vornherein gerade unterschiedliche Vorstellungen, die durch Einschaltung des gerichtlichen Sachverständigen geklärt werden sollten. Insofern war es Sache des Klägers, sich zu überlegen, ob er die Angaben des Sachverständigen für überzeugend hält oder dagegen vorgeht. Das Gericht führt aus, dass für streitige oder ungewisse Umstände, deren Bedeutung und Folgen die Parteien zur Streitbeilegung im Vergleich regeln, die in Wahrheit aber von den angenommenen Größen abweichen, die Parteien selbst das Risiko übernehmen.
Gerade im Baurecht und sonstigen Immobilienrecht kommt es häufig zur Einholung von Sachverständigengutachten im Gerichtsauftrag. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass verschiedene Sachverständige teilweise auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können und man nie weiß, ob das, was der gerichtliche Sachverständige festgestellt hat, tatsächlich zu 100% richtig ist oder nicht. In solchen Fällen bietet die Prozessordnung die Möglichkeit, ein Sachverständigengutachten anzugreifen oder auch eine richterliche Entscheidung, die darauf beruht. Wenn man sich allerdings freiwillig auf eine Vergleichslösung einigt, dann geschieht das immer zu einem Zeitpunkt, in dem der Rechtsstreit noch nicht endgültig entschieden ist und daher Restzweifel verbleiben. Es ist daher richtig, dass die Parteien das damit verbundene Risiko übernehmen müssen. Anders sähe es freilich aus, wenn einer der Prozessbeteiligten absichtlich Ergebnisse manipulieren würde oder Ähnliches.
Dr. jur. Eugen Kalthoff
Rechtsanwalt | Partner
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Lehrbeauftragter der Universität Hamburg
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