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Der Anspruch auf einen Kita-Platz und seine Durchsetzung

Der politische Wille ist eindeutig: Es soll eine ausreichende Anzahl an Plätzen in Krippen und Kindergärten zur Verfügung stehen. Und zwar für alle Kinder, deren Eltern einen solchen Kita-Platz begehren. Mit der Frage, ob der Staat dem hierauf gerichteten Anspruch in der Praxis gerecht wird und welche Möglichkeiten bestehen, diesen (gerichtlich) durchzusetzen, beschäftigt sich dieser Beitrag.

I. Rechtlicher Hintergrund

Die zugrundeliegende Rechtsnorm findet sich in § 24 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Diese differenziert nach dem Lebensalter des Kindes in drei Stufen, worauf noch eingegangen wird. Verpflichtet ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, also das Jugendamt des jeweiligen Landkreises bzw. Stadtkreises; nicht dagegen die Kommune am Wohnort selbst. Diese muss zwar ebenfalls Anstrengungen unternehmen, um ein bedarfsgerechtes Angebot zu schaffen, was aber nicht individuell von den Betroffenen einklagbar ist.

Landesrechtlich finden sich Regelungen in dem Kindertagesbetreuungsgesetz (KiTaG). Darin ist geregelt, dass es grundsätzlich folgende Betreuungsmöglichkeiten gibt, um den Anspruch zu erfüllen:

– Kinderkrippe (bis Vollendung des dritten Lebensjahrs)
– Kindergarten (ab Vollendung des dritten Lebensjahrs)
– Tageseinrichtungen mit altersgemischten Gruppen
– Einrichtungen mit integrativen Gruppen (bei besonderem Förderbedarf)
– Kindertagespflege (umgangssprachlich häufig als „Tagesmutter“ bezeichnet)

Die Einrichtung kann verschiedene Betriebsformen wählen und diese ggf. nebeneinander anbieten:

– Halbtagsgruppen (vormittags oder nachmittags)
– Regelgruppen (vormittags und nachmittags jeweils mehrere Stunden)
– Gruppen mit verlängerten Öffnungszeiten (weitere Stunden zusätzlich)
– Ganztagesgruppen (durchgehend ganztägige Betreuung)

Grundsätzlich haben die Eltern ein Wahlrecht (welches sie für Ihr Kind ausüben) und können daher wählen, welche Betreuungsform den familiären und beruflichen Bedürfnissen sowie den Interessen ihres Kindes gerecht wird. Tatsächlich reichen vielerorts die Kapazitäten aber nicht aus, um allen Wünschen gerecht zu werden. Für die Verteilung der zur Verfügung stehenden Kita-Plätze entwickeln die Kommunen in der Regel Wartelisten mit Rankings. Diese orientieren sich vorrangig daran, worauf das Kind einen Anspruch hat, der wiederum aus § 24 SGB VIII folgt und sich am Alter des Kindes orientiert.

II. Anspruch auf Förderung

1. Zeitraum bis zum ersten Geburtstag

Vor Vollendung des ersten Lebensjahres hat das Kind keinen unbedingten Betreuungsbedarf. Vielmehr ist dieser an folgende Bedingungen gekoppelt, die im Einzelfall zu prüfen sind:

– Die Förderung ist für die Entwicklung des Kindes geboten
– Die Erziehungsberechtigten gehen einer Erwerbstätigkeit nach, suchen eine solche auf oder sind Arbeitssuchend
– Die Erziehungsberechtigten befinden sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung
– Die Erziehungsberechtigten erhalten Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des SGB II (also wenn diese „Hartz IV“ bzw. „Bürgergeld“ beziehen)

In diesen Fällen geht der Gesetzgeber davon aus, dass ausnahmsweise auch schon ein Betreuungsbedarf im ersten Lebensjahr vorliegt, weil die Bedürfnisse des Kindes dies erfordern oder weil die Erziehungsberechtigten nicht die erforderliche Zeit haben, da sie berufstätig sind bzw. einer vergleichbaren Tätigkeit nachgehen.

Auch wenn der Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet ist, diese Kinder durch entsprechende Maßnahmen zu fördern, gibt es vor Vollendung des ersten Lebensjahres keinen einklagbaren Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Dies gilt selbst dann, wenn ein Förderbedarf besteht. Also kann es sein, dass auch in den aufgeführten Fällen kein Kita-Platz zur Verfügung gestellt werden kann, wogegen sich die Eltern nur eingeschränkt wehren können.

2. Alter des Kindes 1-3 Jahre

Sobald das Kind sein erstes Lebensjahr vollendet hat, besteht ein nicht an weitere Bedingungen geknüpfter (einklagbarer) Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer der oben aufgeführten Einrichtungsformen (z.B. in einer Kita).

Weitere Voraussetzungen für diesen Anspruch bestehen nicht. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass die Eltern erwerbstätig sind oder dass die besondere Situation des Kindes eine Förderung gebietet. Allein entscheidend ist das Alter des Kindes.

Der Umfang des Anspruchs wird grundsätzlich von den Erziehungsberechtigten bestimmt. Wenn diese eine Ganztagesbetreuung für erforderlich halten, richtet sich der Anspruch auf eine Ganztagesbetreuung. Die Grenzen, ab wann von einem „zu viel“ der Betreuung auszugehen ist, sind von den Verwaltungsgerichten hoch angesetzt worden.

Allerdings muss der Anspruch nicht am Wohnort des Kindes selbst erfüllt werden. Das Jugendamt kann Kita-Plätze auch andernorts (z.B. in benachbarten Kommunen) vermitteln. Dann muss im Einzelfall geprüft werden, ob dieser Kita-Platz zumutbar ist, was in erster Linie von der Erreichbarkeit (auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln) abhängt, also der anfallenden Fahrtdauer. Dabei wird auch die Fahrzeit der Erziehungsberechtigten zu deren Arbeitsstätte berücksichtigt und ggf. die Möglichkeit, das Kind anderweitig zur Einrichtung zu bringen.

Wenn es darum geht, an welchem Ort der Anspruch erfüllt werden soll, ist eine gute Argumentation gefragt, um ein unzumutbares Angebot ablehnen zu können. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Jugendamt von der Verpflichtung zum Nachweis eines Betreuungsplatzes befreit wird. Hierzu berate ich Sie gerne.

3. Ab einem Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt

Ab Vollendung des dritten Lebensjahrs ist die rechtliche Situation ähnlich wie ab Vollendung des ersten Lebensjahrs. Auch hier besteht ein Anspruch, der nicht an weitere Bedingungen geknüpft ist.

Womit viele Eltern aber (häufig überraschend) konfrontiert werden, ist die Tatsache, dass dieser Anspruch nicht zwingend im gleichen Zeitlichen Umfang besteht wie vor dem dritten Geburtstag. Die Eltern können nicht mehr selbst bestimmen, welcher Betreuungsumfang notwendig ist, sondern es bestehen von der Rechtsprechung entschiedene Mindestbetreuungszeiten. Gibt es keine darüber-hinausgehende freie Kapazität, besteht auch kein Anspruch auf weitere Betreuung. Dies ist vielen Familien nicht bewusst und erfordert häufig (nachteilige) Umstellungen im Berufs- und Familienleben, wenn im Kindergarten ein geringerer Betreuungsumfang stattfindet als in der Kinderkrippe.

Welche Mindestbetreuungszeiten als angemessen erachtet werden, hängt auch vom Bezirk des zuständigen Verwaltungsgerichts ab. Selbst innerhalb Baden-Württembergs bestehen unterschiedliche Auffassungen. Entscheidend ist letztlich auch die Frage, ob es sich lediglich um ein „Luxusproblem“ handelt, oder ob die Erziehungsberechtigten aufgrund beruflicher oder ähnlicher Verpflichtungen tatsächlich nicht in der Lage sind, das Kind in der übrigen Zeit zu betreuen. Hierzu berate ich Sie gerne in einem persönlichen Gespräch.

III. Durchsetzung des Anspruchs

Damit der Anspruch auf einen Kita-Platz entsteht, müssen die zuständigen Behörden rechtzeitig über den Bedarf informiert werden. Nach § 3 Abs. 2a KiTaG haben die Erziehungsberechtigten die Gemeinde und bei einer gewünschten Betreuung durch eine Tagespflegeperson den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe mindestens sechs Monate vor der beabsichtigten Inanspruchnahme einer Leistung in Kenntnis zu setzen. Hierbei ist zu beachten, dass in Baden-Württemberg zunächst die Wohnortgemeinde, bei Tagespflege zudem auch das Jugendamt, über den Bedarf zu informieren ist.

1. Außergerichtliche Durchsetzung

Zeichnet sich ab, dass die Gemeinde den Bedarf nicht erfüllen kann, ist der öffentliche Träger der Jugendhilfe (also das Jugendamt des Landratsamts) hierauf hinzuweisen, da dieser Anspruchsgegner für eine prozessuale Durchsetzung des Anspruchs auf einen Betreuungsplatz ist.

Im Falle eines ablehnenden Bescheids ist, um dessen Bestandskraft vorzubeugen, ein hiergegen gerichteter Widerspruch einzulegen. Die zuständige Behörde sowie die Monatsfrist finden sich in der Regel in der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids. Zweckmäßig ist auch ein sogenannter Verpflichtungswiderspruch, der sich auf den Nachweis eines Betreuungsplatzes in einem bestimmten zeitlichen Umfang richtet.

An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass Anspruchsinhalt nicht der konkrete Kita-Platz (z.B. in einer Wunscheinrichtung) an sich ist, sondern lediglich der Nachweis dafür erbracht werden muss, wo ein angemessener Kita-Platz zur Verfügung steht. Das mit dem jeweiligen Träger dann in einem nächsten Schritt zu begründende Vertragsverhältnis ist hiervon unabhängig.

Das Jugendamt erfüllt den Anspruch, wenn es einen zumutbaren Kita-Platz nachweist (also auf den verfügbaren Platz in einer Einrichtung hinweist). Wird der nachgewiesene Platz berechtigterweise abgelehnt, lebt der Anspruch auf Nachweis eines Betreuungsplatzes wieder auf. Welche Gründe infrage kommen, um einen nachgewiesenen Kita-Platz als unzumutbar zurückzuweisen, ist im individuellen Fall zu entscheiden. Gerne berate ich Sie ausführlich zu dieser Thematik.

2. Gerichtliche Durchsetzung

Kommt das Jugendamt der Aufforderung zum Nachweis eines Betreuungsplatzes nicht nach, kann der gerichtliche Weg vor dem örtlich zuständigen Verwaltungsgericht beschritten werden. Da es sich in der Regel um dringende Angelegenheiten handelt (z.B. wenn der Termin des beabsichtigten beruflichen Wiedereinstiegs näher rückt), ist meistens ein Eilverfahren Mittel der Wahl. Im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes kann ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestellt werden. Damit kann eine vorübergehende Entscheidung schneller erreicht werden als mit einem langwierigen (mehrere Jahre dauernden) Regelverfahren.

Gegenstand der Klage ist wiederum der oben beschriebene Anspruch auf Nachweis eines Betreuungsplatzes (sogenannter Primäranspruch); im Eilverfahren zunächst für einen begrenzten Zeitraum, damit keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache stattfindet. Sollte abzusehen sein, dass der Primäranspruch nicht erfüllt werden kann (siehe nächster Absatz), kann auch der Sekundäranspruch eingeklagt werden.

3. Weitere Ansprüche

Gelingt dem Jugendamt der Nachweis eines Betreuungsplatzes nicht (z.B. weil tatsächlich keine Plätze mit dem beanspruchbaren Umfang in einer zumutbaren Entfernung verfügbar sind), wandelt sich der Primäranspruch in einen sogenannten Sekundäranspruch um. Dieser ist auf Schadens- bzw. Kostenersatz gerichtet. Im dessen Rahmen kann z.B. beansprucht werden, die Kosten für eine Tagespflegeperson (anteilig) zu erstatten. Auch ist denkbar, einen Verdienstausfall der Erziehungsberechtigten, den diese aufgrund der selbst durchgeführten Kinderbetreuung erleiden, (anteilig) zu kompensieren.

Voraussetzungen und Umfang des Sekundäranspruchs sind jedoch so stark vom Einzelfall abhängig, dass hierüber keine allgemeingültigen Aussagen getroffen werden können. Ich kann Ihnen aber im Rahmen eines Erstberatungsgesprächs eine auf Ihre konkrete Situation bezogene rechtliche Einschätzung geben.

IV. Im Fall der Fälle

Sollten Sie Anlass haben, daran zu zweifeln, dass Ihnen zum gewünschten Zeitraum ein Betreuungsplatz mit dem von Ihnen beanspruchten zeitlichen Umfang zur Verfügung gestellt wird (z.B. aufgrund einer telefonischen Mitteilung der Kommune), sollten Sie umgehend tätig werden.

Gerne können Sie uns aufsuchen, um sich zunächst zu den Erfolgsaussichten eines außergerichtlichen bzw. gerichtlichen Vorgehens beraten zu lassen. Wir geben Ihnen eine Einschätzung des individuellen Anspruchs sowie der Möglichkeiten zu dessen Durchsetzung.

Sollten Sie uns beauftragen, für Sie tätig zu werden, übernehmen wir – je nach Auftrag – die Korrespondenz mit den Behörden, fordern außergerichtlich zum Nachweis des Betreuungsplatzes auf, erheben Widerspruch gegen Ablehnungsbescheide und stellen die erforderlichen (Klag-)Anträge beim Verwaltungsgericht.

Kontaktieren Sie uns hierzu einfach unter den angegebenen Kontaktdaten, dann finden wir bestimmt eine Lösung zur Durchsetzung Ihrer Ansprüche. Ansprechpartner ist Rechtsanwalt Raphael Beck: https://www.rofast.de/rechtsanwaelte/raphael-beck

[Für die Richtigkeit und Aktualität der obigen Ausführung wird keine Gewähr übernommen.]

Raphael Beck
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Sekretariat: Tel.: 0751-36331-0
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