Die Kommunen sind in der Pflicht, zumutbare Unterkünfte für den großen Zustrom an Menschen zu schaffen. Dass dies nicht überall reibungslos abläuft, liegt auf der Hand. Dennoch – oder gerade deswegen – müssen die nachbarschützenden Vorschriften Beachtung finden, um ein verträgliches Miteinander zu gewährleisten. Mit dem zu lösenden Konflikt zwischen öffentlichen und privaten Interessen befasst sich dieser Beitrag.
Hintergrund
Aufgrund des nach wie vor zu verzeichnenden Zustroms an Flüchtlingen reichen vielerorts die vorgehaltenen Kapazitäten zur Unterbringung nicht aus. Daher ist immer häufiger zu beobachten, dass die öffentliche Hand „kreative“ Wege geht, um Flüchtlinge in sogenannten Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen. Die Bandbreite der gefundenen „Lösungen“ ist groß: Von der Errichtung großer Zelte, die ansonsten eher für Volksfeste Verwendung finden, reicht sie bis zur Nutzbarmachung leerstehender Gebäude, die zuvor der Unterbringung von Gewerbe, Verwaltung oder als z.B. als Krankenhaus/Altersheim dienten. Nicht immer stößt dies in der (zukünftigen) Nachbarschaft auf Gegenliebe.
Genehmigungsverfahren
Neben der Neuerrichtung eines Gebäudes bedarf auch die Änderung der Nutzung eines Bestandsgebäudes einer Baugenehmigung. Im durchzuführenden Baugenehmigungsverfahren findet eine Überprüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Bestimmungen des Bauplanung- und Bauordnungsrecht statt. Viele davon bezwecken konkret den Schutz der Nachbarschaft, weshalb auch solche Interessen im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu berücksichtigen sind, aber nicht immer berücksichtigt werden.
Zunächst muss die Genehmigungsbehörde Kenntnis von den vielfältigen Interessen der Nachbarn erlangen. Es ist dringend notwendig, die möglicherweise verletzten Rechtspositionen im Rahmen des Angrenzerbenachrichtigungsverfahrens vorzubringen. Dies schon allein aus dem Grund, weil solche Themenkreise, die nicht im Rahmen dieser Nachbaranhörung vorgetragen wurden, im weiteren Verwaltungsverfahren unberücksichtigt bleiben können (materielle Präklusion).
Nach Zustellung der Benachrichtigung besteht eine Frist von lediglich 4 Wochen (nicht einem Monat!), in der die Einwendungen vorgebracht werden können. Um sich Kenntnis über das geplante Vorhaben zu verschaffen, kann in diesem Zeitraum auch Einsicht in die behördlichen Akten genommen werden; dies kann gegebenenfalls durch einen beauftragten Rechtsanwalt erfolgen.
Genehmigungsfähigkeit
Ob das geplante Vorhaben zur Errichtung bzw. Umnutzung für eine Gemeinschaftsunterkunft zulässig ist, richtet sich zunächst nach dem Bebauungsplan. Diesbezüglich bestehen aber (zeitlich befristete) Abweichungsmöglichkeiten konkret für die Errichtung von Gemeinschaftsunterkünften und sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, z.B. in § 246 Abs. 8 bis 17 Baugesetzbuch mit einer Vielzahl von Ausnahme- und Abweichungsvorschriften.
Beispielsweise ist eine Unterbringung in Gewerbegebieten, (reinen) Wohngebieten, Mischgebieten und Dorfgebieten etc. möglich, auch wenn die Festsetzungen des Bebauungsplans dies grundsätzlich nicht vorsehen. Auch können befristet mobile Anlagen, z.B. Container oder Zelte, errichtet werden und sogar eine Errichtung im Außenbereich stattfinden.
In all diesen Fällen muss Befreiung für die Errichtung bzw. Nutzungsänderung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein. Dies ist das entscheidende Kriterium, um Nachbarinteressen in den Genehmigungsvorgang einfließen zu lassen.
Vereinbarkeit mit nachbarlichen Interessen
Im Folgenden wird daher noch kurz auf die nachbarlichen Interessen eingegangen, die typischerweise im Baugenehmigungsverfahren innerhalb der oben genannten Frist vorgebracht werden (exemplarische, nicht abschließende Aufstellung):
– Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs, der gewähren soll, dass das Gebiet in der Umgebung seinen Charakter nicht verliert.
– Heranrückende Wohnbebauung bei privilegierter Nutzung im Außenbereich bzw. immissionsträchtigen Betrieben.
– Unzumutbare Belästigungen/Störungen, z.B. durch Licht-, Geräusch- (z.B. aufgrund von Aufenthaltsbereichen im Freien; Heizaggregaten etc.) Lichtimmissionen (durch Beleuchtung des Areals) und Geruchsimmissionen (z.B. wegen einer Großküche oder Abfalllagerplätzen).
– Verletzung des allgemeinen bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots.
– Brandschutz durch zu hohe Belegungsdichte und Nichteinhaltung von Abständen.
– Anordnung von Kfz- und Fahrradstellplätzen – insbesondere entlang der Grundstücksgrenzen –, wodurch Geräusche, Abgase und Gerüche auf andere Grundstücke getragen werden.
(Un)Befristete Geltung
Teilweise ist die Inanspruchnahme der Ausnahmevorschriften des § 246 BauGB durch den Bauherrn nur zeitlich befristet möglich, was bedeutet, dass die Genehmigung nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erteilt werden kann bzw. zu befristen ist. Vielfach ist aber zu beobachten, dass die Fristen verlängert oder die Befristung ganz aufgehoben wurde, was dann zu einer Verstetigung führt.
Handlungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten
Sollten Sie Interesse an einer Beratung zu diesem Thema haben, beispielsweise weil in Ihrer Nachbarschaft eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge errichtet bzw. ein Bestandsgebäude für diesen Zweck umgenutzt werden soll, können wir Sie gerne hinsichtlich der möglicherweise beeinträchtigten drittschützenden Belange, den Rechtsschutzmöglichkeiten und den Erfolgsaussichten beraten.
Wenn ein Rechtsbehelf Erfolg haben soll, ist es wichtig, die verletzten Rechte präzise herauszustellen und zu begründen. Gerne übernehmen wir diesbezüglich Ihre außergerichtliche und gerichtliche Interessenwahrnehmung und Vertretung gegenüber Verwaltungsbehörden und Gerichten.
Ich freue mich, von Ihnen zu hören und Sie in Ihrer Angelegenheit unterstützen zu können.
Raphael Beck
Rechtsanwalt
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