Mit der Problematik eines (übergreifenden) Bestandschutzes für Grenzbauwerke hatte sich der VGH Baden-Württemberg in einer Entscheidung vom 19.05.2020 (Az.: 5 S 437/18) zu befassen.
In der Sache ging es um Folgendes: Anlässlich einer Baukontrolle wurden Baumaßnahmen an einem grenzständigen Schuppen festgestellt. Dieser wies im UG eine Garage und im OG einen Lagerraum auf. Über eine Baugenehmigung für das Bauwerk verfügte der Eigentümer nicht.
Die Baurechtsbehörde erlies darauf eine Baustilllegungsverfügung. Im Weiteren wurde ein Nachtragsgesuch zur Legalisierung der bereits begonnenen Maßnahmen abgelehnt.
Die dagegen gerichtete Klage des Eigentümers wurde erstinstanzlich mit der Begründung abgelehnt, der Eigentümer habe genehmigungspflichtige Maßnahmen ohne erforderliche baurechtliche Genehmigung durchgeführt. Die Genehmigung könne auch deswegen nicht erteilt werden, weil das Bauvorhaben einen Verstoß gegen verbindliche Vorschriften des Abstandsflächenrechtes beinhalte. Hiergegen richtete sich die Berufung des Eigentümers.
Diese blieb erfolglos. Das Obergericht bestätigte das Eingangsgericht insoweit, dass es sich bei den durchgeführten Maßnahmen nicht (mehr) um genehmigungsfreie Instandhaltungsmaßnahmen handeln. Denn es ginge nicht nur um solche Arbeiten zur Erhaltung eines bestimmungsgemäßen Gebrauchs einer Anlagen oder ihrer baulichen Substanz bzw. zur Beseitigung baulicher und sonstiger Mängel in Folge Gebrauchs.
Die Grenze zu einer bloßen Instandhaltung sei vielmehr überschritten, wenn die baulichen Maßnahmen nach ihrer Qualität so intensiv seien, dass sie die Statik des Gebäudes berühren; mithin eine statistische Nachberechnung der Gesamtanlage notwendig werde oder der Arbeitsaufwand nach seiner Quantität den Umfang einer Errichtung einer Neuanlage erreiche bzw. sogar übersteige. Auch könne sich der Eigentümer nicht auf Bestandsschutzgesichtspunkte berufen. Der Bestandschutz finde eine logische Grenze in der Sicherung des durch die Eigentumsausübung Geschaffenen, erstrecke sich jedoch nicht auf die Neuerrichtung oder Änderung baulicher Anlagen. Sei mithin eine Neubewertung des Schuppens erforderlich, könne eine Genehmigung wegen eines Verstoßes gegen zwingende Bestimmungen des Abstandsflächenrechtes nicht erteilt werden. Dies zumal es sich bei dem Bauwerk auch nicht um ein abstandsflächenrechtlich privilegiertes Vorhaben handle.
Anmerkung: Die Entscheidung ist von erheblicher praktischer Relevanz. Denn es existieren viele bestandsgeschützte (Alt-)Gebäude, die dem heutigen Baurecht und den Baustandards nicht mehr gerecht werden. Gemeinsam ist diesen Bauwerken, dass eine Genehmigung für genehmigungspflichtige Maßnahmen nicht mehr erteilt werden kann. Werden dann indes genehmigungspflichtige bauliche Maßnahmen getätigt, ohne dass eine Baugenehmigung vorliegt oder erteilt werden kann, führt dies zwingend zum Verlust des Bestandschutzes. Die Konsequenz ist dann möglicherweise ein Komplettabriss.
Quelle: IBR 2020 Seite 483
Rechtsanwalt Walther Glaser
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