Kürzlich ist eine interessante Entscheidung publiziert worden (OLG Düsseldorf Urt. v. 2.8.2022 – 22 U 304/21, IBRRS 2023, 0727, beck-online), die einen Fall zum Gegenstand hatte, in welchem ein Nachunternehmer seinen Auftraggeber, den in der Kette über ihm stehenden Bauunternehmer, auf Zahlung von Werklohn für geleistete Arbeitsstunden verklagt hatte. Das an sich ist nichts Ungewöhnliches. Genauso zu erwarten war, dass der Bauunternehmer als Beklagter einwandte, die angeblich geleisteten Stunden seien im Prozess nicht schlüssig dargelegt worden und im Übrigen sei der abgerechnete Aufwand viel zu hoch und stünde in einem Missverhältnis zum Werkerfolg.
Es steht dem Auftraggeber regelmäßig frei, den Anfall des vom Auftragnehmer behaupteten Stundenaufwands zu bestreiten. Dies kann er grundsätzlich mit „Nichtwissen“, da er von sich aus keinen Einblick in die genaue Arbeitsverrichtung des Auftragnehmers hat. Es ist vielmehr Aufgabe des Auftragnehmers, plausibel darzulegen, welcher Aufwand angefallen ist. Allerdings verhielt es sich im entschiedenen Fall so, dass der Bauunternehmer als Auftragnehmer wiederum seines Auftraggebers die gleichen Leistungen ebenfalls auf Stundenlohnbasis abgerechnet hatte. Insofern wurde der Stundenaufwand einfach in der Unternehmerkette durchgereicht.
Bei einer derartigen Sachlage hatte der Beklagte Bauunternehmer spezielle Fach- und Sachkenntnis der Umstände im gegebenen Einzelfall. Deshalb gestattete ihm das Gericht nicht, es beim pauschalen Bestreiten zu belassen und stufte den Vortrag des Beklagten als unerheblich ein. Hier auszugsweise aus der Entscheidung:
„Die Beklagte hat bestritten, dass die von dem Kläger abgerechneten Stunden tatsächlich angefallen sind. Damit kann sie im vorliegenden Fall nicht gehört werden. Zwar darf der Besteller im Regelfall ohne nähere Darlegung bestreiten, dass die abgerechneten Stunden tatsächlich angefallen sind und muss nicht zu den aus seiner Sicht geleisteten Stunden vortragen (BGH, Urt. v. 28.05.2009 – VII ZR 74/06, BauR 2009, 1291). Hier liegen jedoch besondere Umstände vor, nach denen das pauschale Bestreiten der Beklagten unbeachtlich ist. Nach dem (unstreitigen) Vortrag der Streithelferin im Schriftsatz vom 21.07.2021 hat die Beklagte gegenüber der Streithelferin die streitgegenständlichen Leistungen, die von dem Kläger als Nachunternehmer erbracht worden sind, nach Stunden abgerechnet. Die Beklagte macht ebenso geltend, sie habe die Stunden an die Streithelferin „durchgereicht“, die der Kläger erbracht habe (SS vom 20.10.2021, GA 521). Danach muss die Beklagte aber Kenntnis darüber haben, welche Stunden angefallen sind. Sie kann sich deshalb nicht gegenüber dem Kläger auf (vermeintlich) fehlende Stundenlohnzettel berufen und die aufgewendete Zeit insgesamt und pauschal bestreiten, wenn sie selbst den von dem Kläger geleisteten Zeitaufwand in Rechnung gestellt hat (siehe auch OLG Celle, Urt. v. 08.05.2013 – 7 U 18/12, BauR 2014, 1476). Hinzu kommt, dass sich die Beklagte darauf beruft, dass der abgerechnete Zeitaufand in Relation zu den übertragenen Arbeiten überhöht sei. Danach muss aber die Beklagte, die selbst fachkundig ist, wissen, welcher Zeitaufwand für die Ausführung der Arbeiten als angemessen erscheint. Schließlich trägt die Beklagte vor, dass Zeitaufwand zur Beseitigung von Mängeln enthalten sei. Auch dieser Vortrag setzt voraus, dass die Beklagte Kenntnis davon hat, welcher Zeitaufwand für die Arbeiten angefallen ist. Auch diese weiteren Umstände stehen dem pauschalen Bestreiten der Beklagten entgegen (vgl. auch Bolz/Jurgeleit/Eimler, ibrOK VOB/B, § 15 Rn. 40).“
Dies zeigt, dass publizierte Entscheidungen und generelle Handlungsempfehlungen nicht Allgemeingültigkeit beanspruchen können. Rechtsstreitigkeiten beruhen auf Lebenssachverhalten, die viele einzelne entscheidungserhebliche Aspekte aufweisen können, die es zu bewerten gilt.
Aus anwaltlicher Sicht stellt sich die Frage, warum der Beklagte sein Bestreiten nicht konkretisierte. Hat er einfach gehofft, dass der Auftragnehmer und Kläger nicht in der Lage wäre, den Aufwand schlüssig darzulegen und nachzuweisen? Das würde implizieren, dass der Beklagte wohlwissend dem Kläger die Vergütung für tatsächlich erbrachte Leistungen nicht zahlen wollte. Ansonsten hätte der beklagte Bauunternehmer seine eigene Stundenlohnabrechnung der des Klägers entgegenstellen können. Möglicherweise wollte man hier aus Profitgründen im Prozess vermeitnlich geschickt taktieren und ist darüber selbst gestolpert.
Eugen Kalthoff
Rechtsanwalt | Partner
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Lehrbeauftragter der Universität Hamburg
Sekretariat: Frau Hofbauer & Frau Herberger
Durchwahl: 0751 36331-19/-26
Rommelspacher Glaser Prüß Mattes Kalthoff Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB
Eywiesenstraße 6, 88212 Ravensburg, AG Ulm, PR 550004 | www.rofast.de