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Wechsel von der fiktiven Schadensabrechnung zur konkreten Abrechnung bei Verkehrsunfällen

Bei einem reparaturwürdigen Unfallschaden steht dem geschädigten Fahrzeughalter (wenigstens derzeit noch) ein Wahlrecht zu, ob er seinen Fahrzeugschaden reparieren lässt oder aber die Reparaturkosten „fiktiv“ auf Gutachtenbasis abgerechnet. Rechnet der Geschädigte nun zunächst auf Gutachtenbasis ab, so kann sich, wenn er später sein Fahrzeug nun doch vollständig oder teilweise repariert, die Frage stellen, ob und in welchem Umfang er Nach- oder Zuschläge beanspruchen darf. Hierzu ist im Ausgangspunkt zu sehen, dass eine Bindung des Geschädigten an die einmal gewählte Form der Abrechnung grundsätzlich nicht besteht, insbesondere dann nicht, wenn der Geschädigte zunächst fiktiv auf Reparaturkostenbasis abrechnet, später jedoch zur konkreten Schadensabrechnung übergeht und nunmehr Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten verlangt. Ob dieser nachträgliche Wechsel in der Abrechnungsform auch dann noch möglich ist, wenn bereits ein rechtskräftiges Urteil zur fiktiven Schadensabrechnung vorliegt, hatte das LG Hamburg in seinem Urteil vom 15.4.2019 (331 S 65/17) zu entscheiden; dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Nach einem Verkehrsunfall rechnete der Geschädigte seinen Schaden fiktiv ab und macht in diesem Rahmen die im Gutachten aufgeführten Verbringungskosten des Wagens zur Lackiererwerkstatt geltend. Das Amtsgericht wies die Klage wegen dieser (fiktiven) Kosten ab. Im Anschluss führte der Geschädigte die Reparatur durch und machte die nun tatsächlich angefallenen Verbringungskosten erneut gerichtlich geltend – auch diese Klage wies das erstinstanzliche Gericht nun mit der Begründung ab, dass der erneuten Klage die Rechtskraft des vorausgegangenen Urteils entgegenstünde.

Das zu Unrecht, wie das Landgericht Hamburg als zuständiges Berufungsgericht in seinem Urteil feststellte. Nach Auffassung des Gerichtes hat der Kläger sein gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB bestehendes Wahlrecht, entweder Wiederherstellung oder den dazu erforderlichen Geldbetrag zu verlangen, nicht bindend ausgeübt, wenn er zunächst auf der Basis einer fiktiven Schadensberechnung Ersatz begehrt, ohne damit eine Reparatur oder Ersatzbeschaffung auszuschließen. Soweit nach anschließender Durchführung der Reparatur die tatsächlichen Reparaturkosten höher als die „fiktiven“ sind, kann er auch noch den Differenzbetrag zwischen diesen und den tatsächlich angefallenen Kosten verlangen. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH, wonach der Geschädigte von der fiktiven Schadensberechnung auf eine konkrete Schadensberechnung wechseln kann, gelangt das befasste Berufungsgericht zum Ergebnis, dass die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils dem Anspruch auf Ersatz der tatsächlich angefallenen Verbringungskosten nicht entgegensteht, da über diesen neuen Sachverhalt überhaupt noch keine Entscheidung getroffen wurde.

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