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Auffahrunfall auf abbremsendes Fahrzeug

Auffahrunfälle im Straßenverkehr passieren jeden Tag und beschäftigen immer wieder unsere Gerichte. Dabei wird von dem Fahrer des auffahrenden Wagens oftmals eingewandt, dass das vorausfahrende Auto völlig unerwartet und grundlos gebremst hat.

Nach den Verkehrsregeln gilt zwar der Grundsatz, dass der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug so groß sein muss, dass auch bei einem plötzlichen Abbremsen des vorausfahrenden noch rechtzeitig angehalten werden kann; jedoch darf der Vorausfahrende nicht ohne zwingenden Grund stark abbremsen (§ 4 Abs. 1 StVO). Der für die Schuld des Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis kann also erschüttert werden, wenn das Abbremsen des vorausfahrenden Fahrzeugs weder verkehrsbedingt noch angemessen, d.h. unnötig abrupt erfolgt.

Mit einer solchen Unfallsituation musste sich aktuell das OLG Schleswig in seinem Urteil vom 19.3.2024 (7 U 82/23) beschäftigen, bei der das voranfahrende Fahrzeug an einer roten Ampel gestanden ist und in der Anfahrtphase bei Grünlicht plötzlich wieder bis zum Stillstand abgebremst hat, weshalb das nachfolgende Fahrzeug von hinten aufgefahren ist.

Während das erstinstanzliche Landgericht Flensburg noch von einer hälftigen Schadensteilung ausgegangen ist, hat das Berufungsgericht die überwiegende Haftung (80%) bei dem von hinten auffahrenden Auto gesehen. Unter Hinweis auf den gesetzlichen Wortlaut, wonach ein vorausfahrendes Fahrzeug nicht ohne zwingenden Grund stark abbremsen darf, kam das Gericht zum Ergebnis, dass der Anscheinsbeweis zulasten des von hinten auffahrenden nicht erschüttert wird, wenn sich das vor ihm fahrende Auto erst in der Anfahrtphase befindet. Wer nämlich gerade erst angefahren ist, kann schon gar keine Geschwindigkeit aufgenommen haben, in der ein starkes Abbremsen überhaupt möglich ist.
Rechtsanwalt Dr. Thomas Prüß
Rechtsanwalt Dr. Thomas Prüß

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