Viele Tarif- und Arbeitsverträge enthalten die ausdrückliche Verpflichtung des Arbeitnehmers, auf Aufforderung durch den Arbeitgeber Überstunden zu leisten. Kommt es bezüglich deren Bezahlung zum Streit mit dem Arbeitgeber, haben Arbeitnehmer in der Regel nur dann die Chance auf ein erfolgreiches Verfahren vor dem Arbeitsgericht, wenn sie zuvor genau dokumentiert haben, wann, in welchem Rahmen und aus welchem Anlass sie Überstunden geleistet haben.
Ein Arbeitgeber ist nach § 611 Abs. 1 BGB zunächst lediglich zur Gewährung der vereinbarten Vergütung für die vereinbarte Arbeitsleistung verpflichtet. Legen die Parteien einen bestimmten Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung (Regel- oder Normalarbeitszeit) fest, betrifft die Vergütungspflicht zunächst also (nur) die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit. Verlangt der Arbeitnehmer gestützt auf § 612 Abs. 1 BGB weitere Vergütung, treffen ihn die Darlegungs- und Beweislast dafür, über die vereinbarte Normalarbeitszeit hinaus gearbeitet zu haben und dass die Leistung von Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst worden oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Um dieser Darlegungslast für die Leistung von Überstunden zu genügen, muss der Mitarbeiter zunächst detailliert vortragen, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereit gehalten hat. Bei der Geltendmachung von Überstundenbezahlung muss der Arbeitnehmer also die behauptete Überstundenleistung nach Tag und Uhrzeit darlegen. Ferner muss sich ergeben, dass die Tätigkeiten auf Weisung oder zumindest mit Billigung des Arbeitgebers außerhalb der regulären Arbeitszeit durchgeführt worden sind. Dies ist in der Praxis regelmäßig mit großen Schwierigkeiten verbunden, wenn es in der Firma kein elektronisches Zeiterfassungssystem gibt und die behaupteten Überstunden über einen längeren Zeitraum geleistet worden sind.
Dies könnte sich zukünftig zugunsten der Mitarbeiter ändern. Nach einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg vom 14.05.2019 (Az.: C-55/18) müssen die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber nämlich verpflichten, die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer systematisch zu erfassen. In seiner Entscheidung weist der Gerichtshof zunächst auf die besondere Bedeutung des Grundrechts eines jeden Arbeitnehmers auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf tägliche und wöchentlicher Ruhezeiten hin. Zudem stellt der Gerichtshof fest, dass ohne ein solches System, mit dem die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden kann, die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und ihre zeitliche Verteilung noch die Zahl der Überstunden objektiv unverletzlich ermittelt werden kann, sodass es für die Arbeitnehmer äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich ist, ihre Rechte durchzusetzen. Um einem Arbeitnehmer daher seine aus der Arbeitszeitrichtlinie sowie der Richtlinie über die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer bei der Arbeit resultierenden Rechte zu gewährleisten, müssen die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.