Auch in Deutschland finden die sog. Dash-Cams immer mehr Anhänger. Es handelt sich hierbei um Videokameras, die meist direkt an der Windschutzscheibe oder auf dem Armaturenbrett eines Fahrzeugs angebracht werden und während der Fahrt fortwährend aufzeichnen. Mit der zunehmenden Anzahl der installierten Dash-Cams stellt sich immer häufiger in einem Prozess die Frage nach der Verwertbarkeit als Beweismittel. Durch die Aufzeichnungen lassen sich nämlich sowohl in einem Zivilprozess streitige Unfallsituationen wie auch in Bußgeld- oder Strafverfahren geahndete Verkehrsverstöße aufklären. In den deutschen Gesetzen sind die Dash-Cams allerdings noch nicht angekommen, weshalb sich die Gerichte über deren Nutzung derzeit streiten.
So werden solche Dash-Cam-Aufnahmen vor dem Hintergrund des Datenschutz- und Persönlichkeitsrechts grundsätzlich als problematisch angesehen. So hat das LG Heilbronn (AZ: I 3 S 19/14) in seinem Urteil vom 17.2.2015 die Verwertung von Aufzeichnungen einer in einem Pkw installierten Dash-Cam im Zivilprozess nicht zugelassen. Die Frage der Verwertbarkeit sei nach Auffassung des Landgerichts mangels einer ausdrücklichen Regelung in der ZPO aufgrund einer umfassenden Interessen- und Güterabwägung zu entscheiden (BVerfG NJW 2002, 3619 [3624]; BGH NJW 2003, 1123 [1124 f.]). Da der Unfallgegner durch die Aufzeichnung mittels Dash-Cam in seinem Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt wird, müsse die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Verpflichtung zu einer fairen Handhabung des Beweisrechts zurücktreten. Nur wenn weitere Gesichtspunkte hinzutreten, die das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Rechtsverletzung als schutzbedürftig erscheinen lassen (vgl. Anm. Bull zu: BVerfG NJW 2009, 3279; NJW 2007, 753 [758]; BGH NJW 2005, 497 [498 f.]), käme eine Verwertung der Aufzeichnungen ausnahmsweise in Betracht. Da das Gericht solche einzelfallbezogenen Umstände, die ein überwiegendes Interesse an der Beweissicherung rechtfertigen würde, ausschloss und die permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs durch eine im Pkw installierte Dash-Cam zudem als Verstoß gegen § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG und § 22 S. 1 KunstUrhG wertete, wurden die Aufnahmen nicht als Beweismittel zugelassen.
In einem Bußgeldverfahren gelangte das OLG Stuttgart in seinem Beschluss vom 04.05.2016 – 4 Ss 543/15 – zu einem etwas differenzierterem Ergebnis, indem eine Verwertung von Dash-Cam-Aufnahmen nicht zwingend ausgeschlossen wird. Aus dem Verstoß eines am Verkehrsdelikt selbst nicht beteiligten Verkehrsteilnehmers gegen das datenschutzrechtliche Verbot gemäß § 6b BDSG beim Betrieb einer Dash-Cam (On-Board-Kamera), nach dem die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen nur in engen Grenzen zulässig ist, folgt nach Auffassung des OLG Stuttgart nämlich nicht zwingend ein Beweisverwertungsverbot des so gewonnenen Materials im Bußgeldverfahren. Dies sei vielmehr im Einzelfall insbesondere nach dem Gewicht des Eingriffs sowie der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden.
Das LG Frankenthal, Urteil vom 30.12.2015 – 4 O 358/15 – hat nun trotz angenommener Verletzung des Datenschutz- und des Persönlichkeitsrechts durch solche Dash-Cam-Aufnahmen deren Verwertung im Zivilprozess im Einzelfall durchaus als zulässig angesehen, um nicht «sehenden Auges» ein nicht der materiellen Rechtslage und der materiellen Gerechtigkeit entsprechendes Urteil zu sprechen. Sollte sich die hier abzeichnende Tendenz bestätigen, wird man zukünftig davon ausgehen können, dass sowohl in Bußgeldverfahren wie auch im Zivilprozess die Aufzeichnungen von solchen Dash-Cams durchaus als geeignete Beweismittel in Betracht kommen.
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